17 Feb KUNST UND GESELLSCHAFT
Hat Kunst eine Aufgabe? Sollte sich Kunst einem Zwang unterwerfen?
Kürzlich habe ich einen Artikel gelesen, es ging unter anderem um die Frage „Welche Aufgabe hat die Kunst?“ Gerade im Hinblick auf die turbulente Corona-Zeit und die damit verbundenen zum Teil unpassenden Maßnahmen der Politik, haben sich die Kunst und die Kultur scheinbar ihrer Aufgaben entzogen, sich dem allgemeinen Konsens der Gesellschaft unterworfen. In diesem Artikel wird sogar vom Scheitern der Kunst gesprochen.
Diese Worte haben mich nachdenklich gemacht, denn als Galeristin frage ich mich, ob die Kunst unbedingt eine Rolle in der Gesellschaft spielen muss und ob sie gezwungen ist, Aufgaben in Bezug auf gesellschaftliche Prozesse zu übernehmen. Dabei beziehe ich mich auf die bildende Kunst, also auf die Gattungen Malerei und Bildhauerei.
„Die Kunst ist nur Kunst, wo sie sich Selbstzweck, wo sie absolut frei, sich selbst überlassen ist, wo sie keine höheren Gesetze kennt als ihre eigenen, die Gesetze der Wahrheit und Schönheit.“ – L. Feuerbach
Gerade die Worte; „müssen“ und „Zwang“; haben in der Kunst, meiner Meinung nach, nichts zu suchen. Diese Worte sollten nicht mit der Kunst in Verbindung gebracht werden, denn die Kunst ist keine moralische Instanz, wie es beispielsweise die Kirche als Institution ist, von der man erwartet, dass sie bei Ungerechtigkeiten eingreifen sollte. Die Kunst muss frei sein, sonst kann sie nicht leben. Freiheit bedeutet allerdings für viele Künstler, die Möglichkeit zu haben, das zu malen oder zu produzieren, was man möchte. Und falls sich ein Künstler nicht zu der aktuellen Situation äußern möchte, ist es seine freie Entscheidung.
Somit hat vielleicht die Kultur im Sinne der Gesellschaft und gesellschaftlicher und menschlicher Werte die Aufgabe, stattfindende Prozesse aufzugreifen und zu reflektieren – nicht aber unbedingt die Kunst. Denn Kunst ist ein kreativer Prozess und sehr individuell. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Künstler ihre Kunst für sich produzieren. Einige Künstler weigern sich sogar, ihre Werke zu verkaufen oder ihren Werken einen Titel zu geben, da sie der Meinung sind, der Betrachter (also die „Gesellschaft“) sollte sich Gedanken darüber machen. Ich sehe hier viele Parallelen zum eigentlichen Grundgedanken des Journalismus: Der Journalist trägt alle Informationen zusammen, recherchiert und schreibt einen objektiven Artikel, in dem alle Informationen (pro und contra) enthalten sind. Der Journalist wertet nicht, er vertritt keine Meinung – das ist Aufgabe des Lesers/Zuschauers/Zuhörers und der „Gesellschaft“.
„Kunst ist das Mikroskop, das der Künstler auf die Geheimnisse seiner Seele einstellt, um diese, allen Menschen gemeinsamen Geheimnisse zu zeigen.“ – L. Tolstoi
Natürlich sollte ein Künstler im Gegensatz zu einem Journalisten nicht objektiv bleiben, das macht er auch nicht, ganz im Gegenteil. Er kehrt sein Innerstes nach Außen (Inside Out von Tina Tabatabai, Geisterwelten von Tim Nehring), offenbart sein Innerstes (Alles ist eins von Hans-Rudi Fischer), reflektiert seine Weltanschauung (Scala Naturae von Diana Achtzig und Rocco Barone) und die aktuelle Situation (Im Meer der Dinge von Philipp Sonntag) und betrachtet die Gesellschaft (Moving von Ecco Meineke). Einige provozieren, viele andere arbeiten in aller Stille. Einige beeinflussen mit ihren Werken die Gesellschaft, reflektieren das Weltgeschehen, andere arbeiten ihre inneren Gefühle ab, die nicht unbedingt etwas mit der aktuellen Situation zu tun haben. Doch jeder setzt sich individuell mit etwas auseinander. Als Galeristin habe ich Künstler gesehen, die mit ihren Werken sehr wohl die gesellschaftlichen Aspekte kritisiert haben. Es gab allerdings auch Künstler, die durch diese unschönen Ereignisse regelrecht blockiert waren und nicht mehr malen konnten oder wollten.
„Wenn ich male, denke ich nie an den Verkauf. Die Leute verstehen nicht, dass wir malen, um zu experimentieren und um uns weiterzuentwickeln, während wir nach Höherem streben.“ – E. Munch
Erschwerend kam für viele Künstler hinzu, dass sie keine Einnahmequellen mehr hatten und zudem viele „Hilfspakete“ von der Politik nach hinten losgegangen sind. Da hilft es nicht viel, wenn Politiker behaupten: “Kultur ist das, was uns als Gesellschaft ausmacht. Ohne Kultur wäre keine Gesellschaft lebensfähig. Kunst ist der Ort, an dem Menschen sich über Werte und Ideale, über Pläne und Ängste austauschten. Kunst und Kultur bieten eine stabile Grundlage für das Zusammenleben, wenn sie frei und für alle erreichbar sind.“ Traurig ist, dass Politiker, aber auch einige Menschen der Gesellschaft zwar sagen, die Kunst sollte dazu beitragen, dass wir uns als Gesellschaft reflektierten können, damit die Demokratie lebendig bleibt, den Worten aber keine Taten folgen.
Damit die Kunst sich frei entfalten kann, braucht es nicht nur Institute für Kulturelle Bildung, sondern auch der Wille der Förderung der Künstler. Ich meine damit nicht die Förderung bereits bekannter Künstler oder Künstler, die in die „Norm“ passen, sondern echte Förderung. Mit Förderung meine ich allerdings nicht nur den monitären Aspekt. Das ist insofern schwierig, als dass viele Künstler sich gar nicht fördern lassen wollen. Denn „Förderung“ bedeutet „Bezahlung“ und viele Künstler wollen keine staatliche Förderung, da sie befürchten, zensiert oder beeinflusst zu werden. Sie ziehen es vor, frei zu bleiben. Mit Förderung meine ich auch Interesse seitens der Gesellschaft. Denn wenn sich die Gesellschaft nicht mit Kunst beschäftigen will, sie nicht unterstützt, sie nicht kauft, nicht in Galerien oder ins Museum geht, hat auch die provokativste Kunst keine Überlebenschance.
„Das Geheimnis der Kunst liegt darin, dass man nicht sucht, sondern findet.“ – P. Picasso
Abschließend denke ich, ist es wichtig, nicht die Kunst als solche als „gescheitert“ zu sehen, denn – wie so oft im Leben – hat jeder Künstler aus seine Art reagiert. Ich erachte es eher als wichtig, sich als Künstler nicht korrumpieren zu lassen, seine Kunst nicht für eine Meinung, einen Trend oder Partei zu „verkaufen“. In meinen Augen ist nicht die Kunst gescheitert, sondern die „Gesellschaft“ und die Politik. Denn große Programme wie „Neustart Kultur“ und andere Programme mit ähnlichen Worten waren zum Teil nur leere Worthülsen, da ich viele Künstler kenne, deren Anträge abgewiesen wurden. Mich beschleicht sogar das Gefühl, dass hier auch nur bekannte Künstler bzw. große Projekte unterstützt wurden, nicht die „kleinen“ Künstler. Aber die Kunst lebt meiner Meinung nach von den „kleinen“ und „unbekannten“ Künstler und nicht von den bekannten Mainstream-Künstler.
Foto: Sebastiano Ricci – Allegorie der Künste
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